Aktuelles
Startseite / Aktuelles / INTEGRA Pflichtschulabschluss - deine zweite Chance

INTEGRA Pflichtschulabschluss - deine zweite Chance

In diesem Interview stellen die Projektleiterin Elena Assumma und ihre zwei Trainerinnen vom Standort Wolfurt (Elke Rhomberg und Claudia Rohner) den INTEGRA Pflichtschulabschluss (PSA) vor und sie erzählen, warum sie ihren Job so lieben. Das gesamte Team besteht aus den drei genannten Damen sowie zwei Trainerinnen am Standort Feldkirch 

Was genau macht euer Team beim INTEGRA Pflichtschulabschluss?

Elena: Wir bereiten Teilnehmer:innen in sechs verschiedenen Fächern auf die Prüfungen zu ihrem Pflichtschulabschluss vor. Diese sind teilweise kombiniert. Das heißt, unter „Natur und Technik“ sind zum Beispiel Chemie, Physik und Biologie zusammengefasst. Aber auch Deutsch, Englisch und Geografie, Mathematik, Gesundheit und Soziales gehören dazu.

Wir prüfen sie nicht selbst, sondern es kommen Prüfer der HTL zu uns. Sobald sie alle Fächer bestanden haben, bekommen sie den offiziellen Abschluss der Mittelschule Feldkirch Oberau überreicht. Das ist ein regulärer Pflichtschulabschluss, mit dem sie eine Lehre beginnen oder eine andere Ausbildung machen können.

Wie lange geht das und wie alt sind die Teilnehmer:innen?

Elena: Normalerweise ein Jahr, die Zeit kann aber bei Bedarf um ein halbes Jahr verlängert werden. Die Teilnehmer:innen sind zwischen 15 und 24 Jahre alt, müssen aber 16 Jahre alt sein, um die letzte Prüfung ablegen zu können.

Man kann seine Prüfungen auf Standard- oder AHS-Niveau ablegen. Wenn die Teilnehmer:innen danach eine höhere Schule besuchen wollen, dann empfehlen wir eine Prüfung auf AHS-Niveau, weil sie dadurch bessere Chancen haben, dort aufgenommen zu werden. Damit hätten sie dann ein Niveau, das mit der vierten Klasse eines Gymnasiums vergleichbar ist.

Was könnt Ihr noch über den Ablauf erzählen?

Elena: Am Vormittag haben wir immer die einzelnen Fächer. Am Nachmittag folgen ergänzende Kurse wie etwa Sprachkompetenztrainings. Für diese kommt eine externe Trainerin von „okay. Zusammen leben“ zu uns. Elke bietet zudem Deutschkurse als zweite Fremdsprache an. Das ist für uns und die Jugendlichen ein riesiger Vorteil, da sie das schon über zwanzig Jahre lang unterrichtet und viel Erfahrung mitbringt. Zudem bieten wir Wiederholungskurse sowie Coachings im Einzel- oder Kleingruppen-Setting an.

Für den Unterricht verwenden wir Skripten, die wir selbst zusammengestellt haben und die wir laufend verbessern, sowohl inhaltlich als auch methodisch. Claudia überarbeitet zum Beispiel gerade das Skript zu „Gesundheit und Soziales“. Sie arbeitet dort auch viele Techniken der Didaktik ein, wie zum Beispiel Farben, Grafiken oder andere Elemente, um die kognitiven Fähigkeiten der Schüler:innen weiterzuentwickeln. 

Wir versuchen jedes Jahr, ein neues Skript zu verbessern. Letztes Jahr haben Elke und ich das Skript „Natur und Technik“ überarbeitet. Im Sommer kommen die Unterlagen für Deutsch dran.

Habt Ihr da keine Vorlagen?

Elena: Wir haben Vorgaben, aber keine Vorlagen. Letztere müssen wir selbst gestalten. Wir haben dazu einen Pool an Wissen und Materialien der einzelnen Trainer:innen, aber wir müssen die Auswahl treffen und alles didaktisch aufbereiten.

Elke: Das ist zwar sehr aufwändig, aber es hat den Vorteil, dass wir immer mit aktuellen Materialien unterrichten können und nicht auf alte und verstaubte Unterlagen zurückgreifen müssen. Da habe ich schon ganz anders erlebt…

Zudem sind wir so flexibel, dass wir die Materialien an die Schüler:innen anpassen können, was sehr wertvoll ist. Sie gehen also mit Wissen auf dem neuesten Stand in die Arbeitswelt hinaus. 

Wir versuchen dabei, alle Lerntypen zu aktivieren und unterrichten fachübergreifend. Wenn wir im Englisch und Geografie über das Wetter reden, dann lassen wir sie über das aktuelle Wetter in New York recherchieren und die Ergebnisse vortragen. So können wir Fächer wie Englisch und Geografie mit Natur und Technik optimal vernetzen und bildhaft darstellen.

Ihr fordert sie also auch gleich mit Referaten und Vorträgen? 

Elena: Zu 100% und gleich von Anfang an. Sie müssen viel präsentieren, um frei sprechen zu lernen. Einige der Prüfungen sind ebenfalls mündlich.

Elke: Wir haben natürlich auch den großen Vorteil, dass unsere „Klassen“ kleiner sind als sonst üblich. Wir haben derzeit zwei Klassen mit insgesamt 22 Schüler:innen in Wolfurt und können aufgrund der kleineren Klassen besser auf die einzelnen Persönlichkeiten eingehen. Dadurch haben wir eine höhere Flexibilität und können beispielsweise Co-Trainings anbieten. 

Wir können ihnen auch die Verantwortung für gewisse Lerninhalte übertragen. Wenn die eine Gruppe schon Englisch hatte und jemand Probleme damit zeigt, dann bilden sich Lerngruppen, die ihre Kolleg:innen beim Lernen unterstützen. So können sie sich auch als Gruppe wahrnehmen und Verantwortung für andere übernehmen.

Elena: Sie lernen bei uns, in der Gruppe zu arbeiten. Zu Beginn sind rund 80% der Schüler:innen noch Einzelgänger, die uns sagen, dass sie lieber alleine arbeiten. Darum ist es eine der schönsten Sachen zu sehen, wie sie sich sozial entwickeln. Wie sie Empathie zeigen und andere unterstützen. Das ist für mich das Schönste am ganzen Programm.

So lernen sie also auch Sozialkompetenz im Projekt.

Elke: Und sie erfahren Sicherheit. Wenn sie zu uns kommen, sagen wir ihnen, dass das ein sicherer Ort ist. Viele von ihnen wurden vorher gemobbed. Das kann ihnen hier nicht passieren, denn wir zeigen Null Toleranz – und das wissen sie auch. So bekommen sie gleichzeitig eine äußere und eine innere Sicherheit. Wenn wir ihnen zu Beginn des Projekts die wenigen Regeln erklären, dann sagen wir ihnen auch, dass diese zu ihrem Schutz bestehen.

Diese Regeln beinhalten Pünktlichkeit, Handy-Benützung, u.v.m. Sie werden dadurch mit der Zeit selbständig und verantwortungsbewusst.

Elena: Wir geben ihnen eine klare Struktur. Vor dem Start treffen wir uns zweimal. Einmal zu unserer Info-Veranstaltung, wo sie gemeinsam den Einstufungstest absolvieren und danach im Einzelgespräch.

Wenn sie den Test nicht bestehen, dann schauen wir, welches Integra-Projekt wir empfehlen können, das gut zu ihnen passt, um sie auf den nächsten Schritt vorzubereiten. Wir haben deshalb einen regen Austausch mit den anderen Jugendprojekten und können den Teilnehmer:innen jenes Projekt empfehlen, das im Moment zu ihnen passt. Dadurch erleben wir weniger Frustration, viel weniger Abbrüche und mehr positive Abschlüsse. 

Bei der letzten Prüfung hatten wir ausschließlich positive Abschlüsse und nur gute Noten! Die Kooperation mit den anderen Integra-Jugendprojekten zeigt sich also sehr positiv. Claudia hatte zudem eine gute Idee bezüglich der Eigenverantwortung.

Claudia: Ich bin ein Fan von Struktur, aber das sind wir wohl alle. Ich habe einen Raster mit Verantwortlichkeiten erstellt, der jedem und jeder Einzelnen kleine Aufgaben zuteilt. So erlernen sie Eigenverantwortung und entlasten uns als Führungsteam.

Wie etwa bei der Überwachung der Handynutzung. Wir haben Handytaschen am Eingang, wo diese während des Unterrichts aufbewahrt werden. In den Pausen sind sie frei zugänglich. 

Zudem haben wir einen Ordnungsdienst eingeführt, der dafür sorgt, dass die Tische sauber sind und der Arbeitsplatz allgemein ordentlich und wertschätzend behandelt wird. Es ist schön zu beobachten, wie schnell sie das annehmen und ihren eigenen Beitrag zum Projekt wertschätzen. Das bildet einen großen Teil unseres Miteinanders: bin ich pünktlich, habe ich alles dabei, nehme ich aktiv am Unterricht teil, sehe ich mich als wichtigen Teil des Ganzen?

Elena: Unser Ziel ist nicht nur, dass sie den Pflichtschulabschluss machen, sondern wir zielen darüber hinaus: Dass sie für den nächsten Schritt bereit sind, sei das eine Lehre oder eine andere Ausbildung. Der Job ist mit dem Abschluss der Pflichtschule für uns noch nicht erledigt. Wir betreiben auch Persönlichkeitsentwicklung.

Elke: Nur ein Beispiel dazu. Als ich eines Morgens hereinkam, war eine Jugendliche am Staubsaugen. Sie meinte, es wäre sehr unordentlich gewesen, also hat sie aufgeräumt und den Raum für alle hergerichtet. Das meinen wir mit Eigeninitiative und Eigenverantwortung. 

Elena: Wir versuchen uns laufend weiterzuentwickeln, was vor allem darum gut möglich ist, weil wir ein tolles Team haben, wo jede Einzelne bereit ist, alles für den Erfolg der Jugendlichen zu machen.

Was zeichnet diesen Job für euch aus? Warum habt ihr ein großes Lächeln auf den Lippen, wenn Ihr von eurem Job erzählt?

Claudia: Das Sinnhafte! Gestern hatte ich einen Jugendlichen bei einer Prüfung, der es nicht fassen konnte, dass er ein „Sehr gut“ bekam. Er stand nur da und war überrascht. Es ist sehr schön für mich, Teil einer Arbeit zu sein, die für andere da ist und Menschen hilft. Wo ich ihnen zeigen kann, was sie alles können und wo ich die Früchte meiner Arbeit genießen kann.

Ich bin erst ein halbes Jahr im Projekt, aber bei meinen Jugendlichen darf ich sehen, wie sie in dieser Zeit ein Stück erwachsen wurden. Es gibt Momente, in denen ich sie gar nicht mehr hergeben möchte. (lacht)

Elke: Ich habe das große Glück, schon mein ganzes Leben in diesem Job arbeiten zu dürfen, aber das wird nie „alt“. Für mich ist es super, wenn sie bei uns hereinkommen und einen Neustart bekommen. Auch wenn sie vorher lauter Fünfer hatten, erleben sie bei uns, dass vieles möglich ist. Das ist ein sicherer Ort, wo sie etwas Neues ausprobieren können, und das gibt Motivation. Das ist ein positiver und produktiver Kreislauf. 

Und das geht weiter. Manchmal rufen uns Eltern an und freuen sich, dass ihre Kinder so tolle Erfolge haben und dass sie positive Rückmeldungen von uns bekommen.

Die Teilnehmer:innen erfahren bei uns auch gedankliche Herausforderungen. Bei uns ist nichts absolut und wir sagen ihnen, dass eins und eins nicht immer zwei ist. Wenn eine Wolke mit einer anderen Wolke zusammenkommt, dann sind das nicht zwei Wolken, sondern eine. Wir fordern sie heraus, einen neuen Blickwinkel auf ihr Leben zu entwickeln und dann auch die Courage zu haben, danach zu handeln. Und wir dürfen das beobachten! Keiner geht gleich bei uns hinaus, wie er gekommen ist.

Wenn wir die Jugendlichen nach einigen Monaten fragen, ob sie dieselbe Person sind, wie zu Beginn des Projekts, erzählen alle, sich positiv verändert zu haben. Das ist ein wunderschönes Geschenk. Wenn sie sehen, dass es im Leben zwar auf und ab geht, sie aber aktiv etwas daran verändern können und nicht nur darauf reagieren müssen.

Elena: Ich kann nur zustimmen, was Elke und Claudia gesagt haben. Jede/r einzelne Schüler:in ist Teil meiner Motivation. Aber auch das Team ist ein großer Teil meiner Motivation. Wenn wir zusammen etwas kreieren und verbessern, dann motiviert uns das alle. 

Die Firma INTEGRA unterstützt uns dabei großartig und lässt uns viel Raum für Ideen. Als Projektleiterin habe ich die volle Unterstützung der Firma, um Ideen umzusetzen, und das ist mir sehr wichtig.

Zahlen Integra Pflichtschulabschluss 2023 – 2024 in Wolfurt:

Von den insgesamt 36 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Wolfurt seit 2023 werden im Juni die meisten einen positiven Pflichtschulabschluss mit der Durchschnittsnote „Gut“ erreichen.

 

Bild vlnr: Elke Rhomberg, Elena Assumma und Claudia Rohner vom Pflichtschulabschluss Wolfurt - Download Foto