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Das ist AusbildungsFit aus Sicht der Coaches

Die drei Coach:innen des Projekts „AusbildungsFit“ (AFit) im Unterland Markus Dörn, Barbara Berger und Thomas Gerer erzählen, warum ihr Job so spannend für sie ist.

Wie würdet Ihr Euren Job beschreiben?

Thomas: Mir ist vor allem wichtig, dass unser Job als Coach nicht verklärt wird. Diese Aufgabe hat nichts mit Sozialromantik zu tun. Vielmehr geht es hier um Eingriffe in neuralgische Punkte in der Biografie junger Menschen, die hoffentlich positive Wirkungen zeigen. Das ist eine große Verantwortung. Wir müssen mit jungen Menschen im Projekt Geduld aufbringen, die viele Krankenstände haben und nicht immer ehrlich zu uns sind.

Aber der Job ist spannend und interessant und es ist sehr schön für uns, wenn wir den jungen Menschen dabei helfen können, ihren Weg zu finden. Mich berührt es, wenn sie mit geringem Selbstwert zu uns kommen und dann mit der Zeit immer aufrechter gehen und stärker werden. Daran teilzuhaben ist die schöne Seite unseres Berufs.

Barbara: Wir erleben alle Höhen und Tiefen hautnah mit den Jugendlichen.

Thomas: Genau. Wir geben ihnen aber auch die Information mit, dass nicht immer alles Spaß machen muss. Der Job soll Sinn für dich machen, du sollst davon leben können. Damit hast du eine Grundausbildung und kannst dich von dort weiterentwickeln. Es ist also nicht schlimm, wenn mich der Job nicht „bespaßt“. Viel wichtiger ist ein gutes Team, mit dem ich gerne zusammenarbeite. 

Das ist auch ein wichtiges Argument für die Teilnahme bei AFit, denn nicht alle Jugendlichen hier haben Freunde. Viele sind einsam. Bei uns gehören sie dazu und sind Teil des Ganzen. Wir interessieren uns dafür, ob jemand auftaucht und wie es ihm geht.

Was sind Eure größten Herausforderungen?

Markus: Eine große Herausforderung ist die Anwesenheit. Krankenstände sind sehr gehäuft und oft sehr mühsam. Wenn Jugendliche wegen einer halben Stunde beim Arzt meinen, sie müssten den ganzen Tag nicht mehr auftauchen. Aber auch das gehört zu unserem Job. Wir versuchen, ihnen klarzumachen, dass man auch mit ein wenig Kopfweh arbeiten gehen kann und dass dies im wahren Berufsleben auch von ihnen erwartet wird.

Wir müssen uns auf jeden Teilnehmer neu einstellen. Sie alle haben einen anderen Hintergrund und andere Bedürfnisse. Bei den einen ist die familiäre Situation die große Challenge, bei anderen können es kognitive oder charakterliche Gründe sein, die ihnen Schwierigkeiten bereiten. Wir können also nicht bei jedem „das gleiche Programm fahren“, sondern müssen alles individuell anpassen.

Arbeitet Ihr auch mit den Eltern?

Markus: Wenn es mit Jugendlichen schwierig wird, dann suchen wir natürlich das Gespräch. Wir führen dazu regelmäßige Elterngespräche durch, entweder am Telefon oder persönlich.

Barbara: Die Reaktionen sind aber ganz verschieden. Manche Eltern sind sehr engagiert und fragen regelmäßig nach, wie es ihren Kindern bei uns geht. Von anderen hören wir gar nichts, also kommen wir als Coach:innen auf sie zu.

Markus: Zum Teil haben die Eltern auch unrealistische Vorstellungen. Wenn ein Jugendlicher klare Lernschwächen hat und die Eltern von einem Beruf für ihn träumen, der kognitiv unerreichbar scheint, dann sollten wir über einen Plan B reden. Das wird nicht immer gerne gehört, ist für die Jugendlichen aber angenehmer und gesünder.

Thomas: Eine große Herausforderung ist es auch, wenn wir die Eltern ständig dazu auffordern müssen, ihren Kindern Freiraum zu geben und sie allein zu uns fahren lassen. Wenn diese jeden Tag wie Kleinkinder zu uns gebracht werden, ist das vollkommen kontraproduktiv, weil ihre Stellung damit in der Gruppe geschwächt wird. Das ist für deren Selbstständigkeit und Selbstwert nicht förderlich.

Massive Herausforderungen können außerdem entstehen, wenn die Eltern keiner geregelten Arbeit nachgehen oder wenn sie mit Substanzen-Missbrauch oder anderen Problemen zu kämpfen haben. Da habe ich den Eltern auch schon meine Hilfe angeboten, um ihnen Wege der Besserung aufzuzeigen. Aber da stelle ich nur den Kontakt zur jeweiligen Einrichtung her, wie zum Beispiel dem IfS.

Eine große Herausforderung, mit der wir alle zu kämpfen haben, ist, dass wir keine Hintergründe kennen. Wir wissen daher nicht, wie es zu diesen Situationen gekommen ist. Ein Urteil darüber zu fällen, steht uns also nicht zu – was nicht immer einfach ist, denn wir sind auch nur Menschen.

Wie erkennt Ihr, ob Ihr auf dem richtigen Weg seid?

Thomas: Was man im Sozialbereich gerne vergisst, ist die Tatsache, dass auch wir Vorgaben erfüllen und Ziele erreichen müssen. Unser Fördergeber, das Sozialministeriumservice (SMS), hat Erwartungen an uns und unsere Arbeit, die wir jährlich erfüllen müssen. Es bestehen also ein gewisser Leistungsdruck und eine Erwartungshaltung, mit denen wir umgehen müssen – so wie in anderen Jobs auch.

Wir arbeiten jedoch mit Faktoren, die wir nur bedingt beeinflussen können. Da würde ich mir manchmal wünschen, ich stünde an einer Maschine, weil ich dort den Output durch meine eigene Leistung bestimmen kann. Das geht bei uns nicht, weil die Jugendlichen und ihre Eltern mitspielen müssen – was sie nicht immer tun. Das macht den Output unserer Arbeit durch den Faktor Mensch im besten Fall „unsicher“.

Von uns wird erwartet, dass wir bei Menschen positive Ergebnisse liefern, die wenig Selbstwert und oft nur ein Minimum an Bildung besitzen, die manchmal kaum schreiben, lesen oder rechnen können und die oft auch große Probleme mit ihrer Sozialkompetenz haben. Wir arbeiten gerne mit ihnen, aber Ergebnisse vorherzusagen ist in diesen Fällen nur bedingt möglich.

Bei manchen Fällen funktioniert es, obwohl die Ausgangssituation mehr als schwierig ist. Da spielen dann das große Engagement und die gute Zusammenarbeit aller Beteiligten eine Rolle, von den Coach:innen über die Arbeitsanleiter:innen bis hin zum Unternehmen, das schlussendlich eine Lehre anbietet. 

Markus: Wir können froh sein, dass die soziale Struktur im Land so gut ist und es gute Alternativen für jene Menschen gibt, die nicht ins Projekt passen. Jugendliche, die einen anderen Bedarf an Pflege Betreuung und Förderung benötigen, würden den Ablauf im Projekt für die anderen übermäßig stören und sich bei uns nicht wohlfühlen. Bei den Alternativen denke ich unter anderem an das VOPS, das als Vormodul für AFit konzipiert wurde und jene Jugendlichen coacht, die eine intensivere Betreuung benötigen.

Wie viele Jugendlichen betreut Ihr im Land?

Markus: Bei uns sind das ganze Jahr über zwischen 70 und 90 Jugendliche im Projekt. Heuer hatten wir wieder viele Erfolge, die sich in gefundenen Lehrstellen und Zusagen zu Ausbildungen zeigen.

Da es unser vordergründiges Ziel ist, die Jugendlichen „Ausbildungsfit“ zu machen, übergeben wir die Lehrstellenvermittlung an die Arbeitsassistenz vom dafür, mit der wir sehr gut zusammenarbeiten. Trotzdem freut es uns natürlich, wenn Jugendliche auch über uns in einem guten Unternehmen unterkommen und ihren Weg machen.

Info: Das Projekt „AusbildungsFit“ ist eine Initiative des Sozialministeriumservice und wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert.

Bild vlnr: Markus Dörn, Barbara Berger und Thomas Gerer - Download Foto