Upcycling als kreatives Jugendprojekt in Feldkirch
Im AusbildungsFit Feldkirch gibt es einen Bereich mit dem klingenden Namen „Upcycling“. Was sich dahinter verbirgt, erzählt uns die dafür verantwortliche Trainerin Juliane Franzelin.
Juliane, was macht ihr im Upcycling mit den Jugendlichen?
Juliane: So ziemlich alles (lacht). Wir bekommen von unseren Mitarbeiter:innen und externen Spender:innen Sachspenden. Auch von den Hausräumungen von Siebensachen bekommen wir Arbeitsmaterial.
Dann überlege ich allein oder mit den Jugendlichen, was wir daraus machen können - die Möglichkeiten sind grenzenlos. So haben wir beispielsweise aus alten Corn Flakes-Packungen und leicht fehlerhaftem Druckpapier Notizblöcke gemacht. Aus Jeanshosen haben wir Taschen genäht.
Sie dürfen sich aber kreativ ausleben. Ein schwangeres Mädchen hat sich eine Patchwork-Decke mit eigenen Fotos und Motiven genäht. Wir sind für neue Ideen offen.
Wie bist du bei INTEGRA gelandet?
Juliane: Ich komme ursprünglich aus dem Gastgewerbe, habe aber seit meiner Kindheit gebastelt und gebaut. Mein Vater hatte eine Holzwerkstatt, in der wir Kinder immer schon tüfteln, nageln und schrauben durften. Seither mache ich das auch als Hobby. Ich beziehe die Eckbank von Freunden neu, schleife und bemale alte Schränke, repariere Kleidung... Ich bin absolut nicht dafür, dass wir immer alles wegwerfen, wenn man es reparieren kann.
Zur INTEGRA bin ich über das Eichamt gekommen, wo ich in der Gastronomie arbeitete. Dann wurde jemand für das Projekt AusbildungsFit gesucht und ich habe mir gedacht: „Es wird Zeit für etwas Neues.“
Also startete ich in der Aktivierungsphase in Bludenz. Dort wurde nach einem halben Jahr der Upcyclingbereich eröffnet und eine Zeit lang machte ich beides: vormittags Aktivierungsphase, nachmittags Upcycling. Da habe ich gemerkt, dass ich mich kreativ voll ausleben kann. Es ist immer etwas Neues dabei, da wir uns aus allen Materialien, die wir bekommen, etwas ausdenken dürfen.
Über den Verkauf bei Siebensachen bekommen wir Feedback, was gut läuft und was nicht so gut angenommen wird. Letzteres lassen wir wieder sein. Produkte aus alten Jeans kommen beispielsweise sehr gut an, Produkte aus Plastikflaschen eher weniger.
Wie viele Jugendlichen betreut Ihr im Upcycling?
Juliane: Wir haben maximal acht Jugendliche bei uns. Mein Bereich ist großartig für junge Menschen, die noch nicht genau wissen, wo sie hinsollen. Bei mir kommen sie mit verschiedenen Materialien wie Holz, Metall oder Stoff in Berührung und können diese ausprobieren. Außerdem lernen sie das Siebensachen und den Minigolfplatz kennen. Sie können alles ausprobieren und sich dann entscheiden.
Manchmal habe ich schwierige Fälle, die ich zuerst ein wenig aufbauen muss, die vielleicht auch Probleme mit anderen Jugendlichen haben. Ich kann mich ihren Anforderungen und ihrer Geschwindigkeit anpassen.
Du hilfst ihnen also bei der beruflichen Orientierung?
Juliane: Auf jeden Fall. Ich hätte mit 15 Jahren nicht gewusst, was ich einmal machen soll. Die Entscheidungsvielfalt ist schließlich riesengroß. Wir lösen das dann gerne kreativ:
Wir zeichnen zwei Blumentöpfe. In den mit der verwelkten Blume schreiben die Jugendlichen fünf Dinge hinein, die sie nicht mögen – das geht noch relativ leicht. In den anderen mit der blühenden Blume kommen jene Dinge, die sie gerne mal ausprobieren wollen – das ist schon schwerer. Das hilft uns bei der Entscheidungsfindung.
Wir fragen regelmäßig nach, ob das noch aktuell ist oder ob neue Ideen dazu gekommen sind. Ich sehe mich daher als eine Art Zwischenbereich zwischen der Aktivierungsphase, die zum Kennenlernen eingerichtet ist und der Übungsphase, wo sie konkret in einem Bereich wie der Tischlerei oder der Schlosserei mitarbeiten können. Bei mir haben sie die Möglichkeit, erste Erfahrungen mit verschiedenen Materialien zu sammeln.
Manchmal kochen wir auch für die Mitarbeiter:innen in Feldkirch. Dann sehe ich gleich: Wer kocht zuhause, wer kennt sich mit frischen Lebensmitteln aus, …?
Kommen nur handwerklich Begabte zu Dir?
Juliane: Nein, wir haben alles. Jene, die damit gar nichts anfangen können, bauen wir langsam auf. „Ich kann das nicht“, lasse ich nicht gelten. Wenn sie mit dem Abschleifen eines Kastens kämpfen, dann schaue ich mir ihre Technik an und gebe Tipps.
Wenn sie jedoch Probleme mit Malen oder Zeichnen haben, dann lasse ich sie zuerst etwas ausmalen oder gebe ihnen „Pixelbilder“, wo sie auf einem karierten Blatt einzelne Felder ausmalen, die dann ein tolles Bild ergeben. So lernen sie, dass auch sie kreativ sein können.
Alle können kreativ sein, aber nicht jeder ist handwerklich begabt.
Juliane: Das stimmt. Wenn es überhaupt nicht klappen sollte, dann finden wir etwas, das passt. Das Schöne ist, dass ich keinen Umsatz- oder Leistungsdruck habe und mich voll und ganz um die Jugendlichen kümmern kann. Sie brauchen oft die Zeit und den Beziehungsaufbau.
So kann ich sie kennenlernen, wie sie sind. Darum lese ich vorher auch keine Befunde oder Diagnosen, weil ich mir selbst ein Bild machen will. Und das scheint zu funktionieren, dann ich hatte noch nie Probleme in der Gruppe.
Warum Upcycling?
Juliane: Weil wir nicht andauernd neue Sachen kaufen und die alten wegwerfen wollen. Wir sind zu einer immensen Wegwerfgesellschaft geworden und haben dadurch eine große Auswahl an Materialien.
Auch die Technik hält immer weniger lange. Überspitzt gesagt: Kaum ist die Garantie vorbei, geht der Fernseher kaputt. Wir versuchen also, die Sachen entweder zu richten oder etwas daraus zu machen.
Die Menschen bringen uns Sachen vorbei, die sie sonst weggeworfen hätten. Die Jugendlichen dürfen das alles verwenden, sind beschäftigt und lernen noch etwas dabei. So kommen sie darauf, dass sie zuhause nicht nur am Handy sitzen müssen, sondern auch etwas zeichnen oder basteln könnten. Ein Mädchen ist nach dieser Zeit bei uns sogar nach Wien in die Kunstschule gegangen. Ein Junge machte das Gleiche in Liechtenstein.
Andere haben gefragt, ob sie ihre Kleidung bei uns richten könnten, anstatt sie wegzuwerfen, was natürlich möglich war. Oder jener Jugendliche, der seinen Ikea-Kasten nicht zusammenbauen konnte. Er brachte ihn mit und wir haben das gemeinsam gemacht. Im Team haben wir das mit vier Jugendlichen schnell hinbekommen und der Zusammenhalt war genial!
Am Freitag habe ich keine Jugendlichen hier. Das ist mein Probiertag, wo ich neue Ideen mit neuen Materialien ausprobiere. Bei mir ist also immer etwas los und mir wird nicht langweilig. (lacht)
Dann müsst ihr für Eure Arbeit kaum etwas kaufen?
Juliane: Stimmt. Farben, Stifte oder Füllmaterial, aber sonst kaum etwas. Die Farben haben wir sogar schon selbst zusammengemischt und genossen, welche coolen Farben daraus entstanden sind. Einer meiner Jugendlichen hat dadurch herausgefunden, wie gut er Farben mischen kann und hat dann gleich bei einem Maler geschnuppert.
Manche brauchen aber nur jemanden, der sich die Zeit zum Zuhören nimmt. Ich bin oft gleichzeitig Mama, Freundin und Arbeitskollegin, was mir sehr gefällt.
Wo bekommt man Eure Produkte?
Juliane: Im Siebensachen, auf unserem Stand am Weihnachtsmarkt in Feldkirch, sowohl in der Neustadt, als auch am Blosengelmarkt. Auch am Minigolfplatz gibt es manchmal Produkte zu kaufen. Dort haben wir auch gemeinsam mit dem Campus Metall die Deko gemacht.
Vielen Dank Juliane und weiterhin viel Erfolg!